Kult-Ur-Brücke

KultURBrücke2015

Die Kult-Ur-Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt

Es gibt immer mehr Menschen, die auf der Suche nach einer Lebensqualität jenseits von Wohlstand und Materialismus sind. Die Rituale und Wege amerikanischer Ureinwohner – und in jüngster Zeit zunehmend der mongolischen Schamanen – fanden und finden längst Eingang in unsere westliche Zivilisation. Es kreierten sich über Jahre hinweg Gruppen, in denen unter Anleitung indigener Lehrer und Lehrerinnen traditionelle indianische Rituale und Medizin von Europäern praktiziert werden.

Was ist es, was immer mehr Europäer an dem Wissen und den Zeremonien der nordamerikanischen Indianer und anderer Schamanen so fasziniert ? Wie kommen Menschen, die gewöhnlich an ihrem sauberen PC-Arbeitsplatz sitzen und den Wohnkomfort mit Zentralheizung, TV, Handy etc. genießen, dazu, übers Wochenende oder auch einige Tage länger an indianischen Schwitzhütten teilzunehmen ? Was bringt sie dazu, mit Bäumen zu sprechen oder für einige Tage zu fasten und sich bei jeder Witterung in der Natur aufzuhalten ? Wie ist es möglich, daß etliche von ihnen sogar lernen, mit der indianische Medizinpfeife zu beten, Schwitzhütten zu leiten oder Sonnentänzer/innen zu werden ?

Naturreligionen – die ältesten überlieferten Formen von Spiritualität

Betrachten wir die Geschichte der Zivilisation im allgemeinen, so sehen wir, daß es weltweit zu allen Zeiten und in allen Kulturen schamanisches Wissen gegeben hat. Denn vor ungefähr 30.000 Jahren, als die ersten Spuren menschlicher Besiedelungen auftauchten, lebten alle Menschen in unmittelbarer Verbundenheit mit den Kräften der Natur und den Welten von Mutter Erde. Sie ernährten sich von Beeren, Kräutern, Samen und den Tieren, die sie rituell erlegen konnten und deren Knochen und Felle sie für ihre Werkzeuge und Kleidung benutzen. Um Krankheiten zu heilen, kannten sie nichts anderes als die heilsamen Kräfte der Pflanzen im Zusammenwirken mit zeremoniellen Formen des Gebets und anderer Formen von, wie wir es heute nennen würden, „Energiearbeit“. Die Kräfte der Natur waren für sie belebt und wurden von jedem Mitglied der Stammesgemeinschaft im Gebet, in Tänzen und Liedern verehrt. Dies war jahrtausendelang auf dem amerikanischen Kontinent ebenso der Fall wie in Afrika, in Australien, Asien und Europa.

Für das einstmals „Schamanische Europa“ wie wir es uns vorstellen müssen, wurde seit der Zeitwende vor 2000  Jahren zunächst die antike und später die christliche Zivilisation der entscheidende Veränderungsfaktor. Unaufhaltsam transformierte (oder : überwucherte) im Auftrag der „Zivilisierung“ und „Christianisierung“ die zur alleinigen Wahrheit erklärte Weltsicht der katholischen Kirche im Zusammenwirken mit den Millitär- und Machtstrategien der römischen Feldherren und später der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die „unzivilisierten“ , „barbarischen“ Gebiete und Stämme an den nördlichen Rändern des Kontinents. Unter dem Ansturm dieser herrschaftlichen, patriachalen und oft gewalttätigen Umformung  gingen auch das Wissen und die Lebensweisen der alten matrialchal orientierten Gemeinschaften und Stämme Europas allmählich verloren.

Ausgelöschte Traditionslinien unserer Europäischen Vorfahren

Die Verehrung der heiligen Haine und Quellen, die Fruchtbarkeitsriten und Jahreszeitenfeste unserer germanischen und keltischen Vorfahren wurden mehr und mehr ausgelöscht in dem sie umformt und vereinnahmt wurden: An die Stelle der alten Göttinnen und Götter wurden die Heiligen des christlichen Himmels gesetzt. Auf den Ruinen der alten Heiligtümer ebenso wie über den zerfallenen Tempeln des römischen Reiches wurden die christlichen Kirchen errichtet, um die neue Macht anschaulich zu manifestieren und darzustellen. Manche der vorchristlichen Namen und Feste blieben fragmentarisch in den Volksbräuchen der bäuerlichen Kulturen bis zum Beginn der Industrialisierung erhalten; in den ländlichen Gebieten in Süddeutschland und den Alpenländern ist einstiges Brauchtums zwar z.T. noch lebendig geblieben, das meiste aber doch auch nur noch in den „Lexika des Deutschen Aberglaubens“ nachzulesen…

Das Naturwissen, die Kräuterheilkunde, das Hebammenwissen und die Rituale und Praktiken der vorchristlichen „europäischen Schamanen“ wurde offensichtlich im ersten Jahrtausend nach Christus hier und da von „Waldschraten“ und „Weisen Frauen“ praktiziert, bis die Inquisition vom 14. bis zum 16. Jahrhundert den letzten „Hexen“ und „Zauberern“ den Garaus machte. Mit ihrem Tod auf den Scheiterhaufen wurde die letzte Verbindung zu den ureuropäischen Quellen des Wissens über Naturkräfte, Heilung und Erleuchtung ausgelöscht. Zwar endete die Vormachtstellung der Kirche in Europa nur wenig später, wurde jedoch abgelöst von dem bis heute fast ungebrochen anhaltendem Fortschrittsglauben der wissenschaftlichen und technischen Zivilisation, in deren mechanistischem Weltbild erst recht kein Platz mehr für ganzheitliches Fühlen, Denken und Handeln war und ist.

Inquisition in Amerika

Vom Ende des 14. Jahrhunderts an, wo die Katholische Kirche durch die Reformation geschwächt und zunehmend ihrer materiellen, moralischen und geistlichen Vormachtstellung verlustig geht, ist sie in Gestalt der spanischen Konquistadoren über den Atlantik nach Südamerika gereist und hat dort ihr Zerstörungswerk nahtlos fortgesetzt, bis auch dort fast alle Wissensträger der Altamerikanischen Kulturen ausgerottet worden sind. Die nordamerikanischen Natives erlitten schließlich in der Folge der Eroberung und Besiedelung des „Wilden Westens“ durch die europäischen Einwanderer vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das gleiche Schicksal.

Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen der Alten Welt der Indianer und anderer indigener Kulturen und der Lage der „Ureinwohner“ Europas. Die heutigen Nachfahren der Indigenen Natives sind „nur“ungefähr 150 Jahre lang von ihrem kulturellem Erbe abgeschnitten. Wenngleich die Ausrottung der indianischen Identität und Spiritualität sehr gründlich und nahezu endgültig war, so liegt doch nicht der Abstand von Jahrhunderten oder Jahrtausenden darüber.

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Phoenix aus der Asche

Nicht einmal sieben Generationen sind seit dem Holocaust in Nordamerika vergangen und dies hat zweifellos eine große Traumatisierung bei den Nachfahren der zerschlagenen Stämme hinterlassen, die sich heute in großen Problemen mit Alkoholismus, Drogensucht und Kriminalität zeigt. Seit Mitte der 70er Jahre des 20. Jhts. lässt die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln  inzwischen jedoch wieder eine neue starke Identität unter den nord- und südamerikanischen Natives entstehen, die stetig weiter wächst und sich in der erneuten Ausübung traditioneller Zeremonien und anderer Festlichkeiten, dem Rückgewinn der Muttersprachen bei den Kindern und einem erstarkten Selbstbewusstsein ausdrückt. Viele auch gemischt blütige Amerikaner/Innen erinnern sich wieder an den einen oder anderen Urgroß- oder Großelternteil, der wenigstens noch Elemente des Wissens persönlich mitzuteilen in der Lage und bereit gewesen ist. Wer niemanden in der Familie findet, kann Älteste aus überlieferten Weisheitslinien ( die z.T. im Untergrund gerettet und erhalten werden konnten ) bitten, diese Funktion als Ratgeber zu übernehmen.

Auf der Suche nach dem europäischen Erdweg

An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Der Bogen unserer Betrachtungen kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Wir neuen „europäischen Schamanen“ zehren seit mehr als 30 Jahren vom wieder erwachten Wissen indigener Wissensträger und lassen uns tief berühren von der Möglichkeit, mit uns selbst und mit den Kräften und Wesen der Natur in Kontakt zu kommen. Wir empfangen mit diesem Wissen und den Ritualpraktiken Schlüssel und Werkzeuge, mit denen wir den Weg zurück in unsere eigene Vergangenheit und zu unseren Wurzeln – den Praktiken und Werkzeugen unserer Vorfahren – nicht zuletzt über die Traumebene finden können. Durch diese Rückbindung an die ursprünglichen Riten können wir eine Bewußtseinsveränderung einleiten, die wieder das Wohl der Erde und ihrer bedrohten Lebensräume in den Fokus rückt.

Freude, Dankbarkeit und der Respekt, Anteil nehmen zu dürfen, am indianischen Gebetsweg in der Schwitzhütte, mit der Pfeife und im Sonnentanz ist uns Inspiration und eine Art Geländer geworden, an dem wir uns zurück tasten können in die verloren gegangene Dimension des Empfindens, Erspürens und der Herzöffnung, um dabei Heilung zu finden für Körper, Geist und Seele und Rückerinnerung an unsere ursprüngliche Verbindung mit dem Großen Geheimnis.

Text: Ulrike Weiland, M.A.

Mehr Information zu der in Deutschland neu erwachenden Erinnerung an die Europäischen Indigenen Wege der Germanen, Kelten und Slawen auf  paganeslebenberlin.de

Außerdem interessante Gedanken auf der Website des Vereins Europäischer Schamanismus e.V. schamanisches-netzwerk-europa.eu