Indianischer Sonnentanz

Im Verlauf meiner Zusammenarbeit mit und Ausbildung durch Devalon Small Legs ( 1954 – 2019 ) aus Alberta/Kanada wurde ich Sonnentänzerin und konnte während mehrerer Sonnentänze in Deutschland und Slowenien von 2002 – 2005 die Magie und Transformationskraft dieses großen Gemeinschaftsrituals erleben.

Der traditionelle Sonnentanz

„Der Begriff „Sundance“ ist die pauschale Bezeichnung für ein sehr komplexes Ritual, das die meisten Stämme der Plains zelebrierten. Der Name leitet sich von der Bezeichnung der Lakota, „sun gazing dance“ ab. Andere Gruppen sprechen von „new life lodges“ oder „offering lodges“, was auf die Funkrion als Ritual der kosmischen Erneuerung und der Darbringung von Opfern hindeutet. Die Blackfoot verwendeten meistens den Begriff „medicine lodge“.

Die Zeit des Sonnentanzes war für die Blackfoot eine Zeit intensiver sozialer Aktivitäten. Es war die Zeit der sommerlichen Bisonjagd, in der große Mengen an Nahrung als Vorrat für die harten Wintermonate angelegt werden mussten. Die einzelnen Gruppen trafen sich für 2 – 4 Monate in einem großen Lager, in dem der Sonnentanz den Höhepunkt der Aktivitäten bildete. Danach zerstreuten sie sich in ihre kleineren Winterlager.

Wichtigste Voraussetzung für die Durchführung der Zeremonie war und ist noch heute das Vorhandensein einer Frau, die das Gelübde abgelegt hat, beim Sonnentanz die Funktion als Sacred Woman einzunehmen. Dieses Amt verlangt, dass sie entweder noch Jungfrau ist oder als Ehefrau nur einen Mann in ihrem Leben hatte. Damit ist die Verpflichtung verbunden, das heilige Sonnentanzbündel zu übernehmen und mit ihrer Familie den Sonnentanz auszurichten. Anlass für in solches Gelübde kann z.B. die schwere Erkrankung eines Familienmitgliedes sein.. Die Bürde, die dieses Amt mit sich bringt, ist zugleich die Danksagung für die erfolgte Genesung.

Die „medicine lodge“, in der die Zeremonie stattfindet, ist eine kreisförmige Konstruktion aus Baumstämmen und Zweigen, in deren Mitte der Heilige Baum steht. Neben den Schwitzhütten ist vor allem das für Sacred Woman errichtete Tipi von besonderer Bedeutung. Darin wird das Sonnentanz Bündel von dem Ehepaar, das es im Jahr zuvor erworben hat, an die derzeitige Sacred Woman und ihren Ehemann übergeben.

Die kosmische Symbolik besitzt eine große Bedeutung, da Sonne, Mond und Morgenstern auch in der Mythologie eine wichtige Rolle spielen. Daher findet sich auf dem Bisonschädel, der im Sonnentanz als Altar dient, die kosmischen Symbole wieder: Die Nasen- und Augenöffnungen mit mit Sage ( weißer Salbei ) ausgestopft, einem Beifussgewächs, das bei allen rituellen Handlungen verwendet wird. Neben dem Bisonschädel deutet v.a. die zeremonielle Zubereitung von Bisonzungen als sakrale Speise auf den hohen Symbolwert hin, den der Bison als lebensspendenedes Wesen inne hat. Die dem Bison entgegengebrachte Verehrung bedeutet eine rituelle Versöhnung mit dem wichtigsten Jagdtier der Blackfoot. Dieser Versöhnungsgedanke wir auf die gesamte Schöpfung ausgedehnt und symbolisiert somit gleichzeitig eine Erneuerung der Welt.

Die kreisförmige Sonnentanz-Konstruktion gilt als Symbol des Blackfoot Universums. Der zentrale Pfosten ( „sun pole“ oder center pole“ ) konzentriert die Macht der Sonne in sich, die von hier aus in die Welt strömt und damit die Erde und die Menschen erneuert. Dieser Gedanke der Erneuerung zeigt sich auch im Tanz vor dem Zentralpfosten. Die mit kosmischer Symbolik bemalten Tänzer, die vier Tage lang gefastet haben, bringen nun ein besonderes Opfer dar, in dem sie sich dem Piercing unterziehen….

Mit dem Sonnentanz zelebrieren die Blackfoot die Erneuerung ihrer Welt als jährlich stattfindende Versöhnung, bei der die wohlwollende Macht der Sonne Natur und Menschen durchflutet. Erde, Tiere, Menschen und übernatürliche Mächte sind dabei in inniger Gemeinschaft verbunden. Nach dem Sonnentanz schauen die Blackfoot jedes Mal hoffnungsfroh und erwartungsvoll in die Zukunft.“

Zitat aus einem Text von Peter Bolz, Berlin aus dem Katalog: Altäre der Welt, Kunst zum Niederknien, Düsseldorf 2001 Seite 248 – 251 ISBN 978-3-7757-1032-9

Ein traditioneller Sonnentanz bei Gransee / Oranienburg ( Land Brandenburg )

Eine Reihe meiner damaligen sehr starken Träume und Visionen wurden von Devalon Small Legs und seinem Lehrer Donald Black Plum Sik-sa-poo als „Erlaubnis“ interpretiert, dass die Medizin des Sonnentanzes nach Deutschland gebracht werden sollte – ungeachtet der Tatsache, dass solche Träume noch nie bei einer Frau außerhalb des Blackfoot Pikunni Stammes beobachtet worden waren und etliche Stammes Älteste strikt dagegen waren.

So kam es dazu, dass ich als Sacred Woman, als Heilige Frau im November 2001 initiiert wurde und bis August 2002 die Aufgabe hatte, durch tägliches Gebet und Räucherzeremonie, den spirituellen Raum für die Verwirklichung des Sonnentanzes zu öffnen und zu halten, damit die „Hütte für Schöpfer Sonne“ tatsächlich gebaut und das zeremonielle Treffen verwirklicht werden konnte. Es war außerdem meine Aufgabe, mehrmals im Monat zu Gebetskreisen und Zeremonien mit der Heiligen Pfeife einzuladen, um die interessierten Menschen zusammenzubringen und vorzubereiten.

Meine Erfahrung als „Heilige Frau“ in der Sonnentanz Zeremonie war eine der größten Initiationen meines Lebens und hat meinen weiteren spirituellen Weg nachhaltig beeinflusst.

Ich hatte vier Versprechen zu geben, warum ich diese Verantwortung übernehmen würde:

  1. Ehrung der Heilige Traditionen und des Altes Wissens des Blackfoot Volkes und aller Nordamerikanischen Ureinwohner
  2. Ehrung und Wiederbelebung der alten, verloren gegangenen Traditionen des Erdwissens unserer Ahnen hier in Europa
  3. Ehrung und Stärkung unserer Gemeinschaften und Kreise des Zusammenkommens in Nordamerika und Europa, indem wir eine Brücke aus Schönheit, Liebe und Licht zwischen der Alten und der Neuen Welt errichten, aus der das Wissen hin und her gehen kann.
  4. Öffnung des Sonnentanzgebetes für alle Menschen, die auf diesem wunderschönen Planeten Erde leben, Frieden für die Menschheit und Heilung für Mutter Erde.

Im Rückblick kann ich erkennen, dass diese Absichten sich auf unterschiedliche Weise erfüllt haben:

  1. Unmittelbar nach der Sonnentanz Zeremonie begannen Menschen, auf demselben Land „keltische“ Schwitzhüttenrituale zu zelebrieren.
  2. Auf meinem späteren Lebensweg bin ich mit vielen Menschen zusammengekommen, welche sich den alten Wissenslinien Europas verbunden fühlen und diese in der Praxis wiederbeleben.
  3. die Ankunft und Verwirklichung der Kiva-Zeremonie „Wurzeln der Erde“ ( Roots of the Earth )im Jahr 2012 durfte ich durch meine Gebete mit beflügeln.
  4. Die Gründung des Zeremonialcamps „Lebenstanz“ und alle Erfahrungen damit hat für uns einen dem Sonnentanz vergleichbaren Erfahrungsraum geschaffen, in dem unsere Verbindung zur Gemeinschaft, Spiritualität und Natur neu erlebt und wiederbelebt werden kann – und dies unter den modernen Lebensbedingungen und Voraussetzungen.